Einer der zentralen Akteure im so komplexen wie dynamischen Gesundheitssystem sind: Patien:innen. Diese erleben je nach Bedingungslage eine individuelle und oft auch emotionale Reise durch das Gesundheitssystem.
Eine Patient Journey ist hierbei ein nützliches Konzept, um die Bedürfnisse und Erwartungen der Patient:innen besser zu verstehen – und ihnen eine optimale Behandlung und Betreuung zu bieten.
Was ist die Patient Journey?
Die Patient Journey ist der Weg, den ein Patient oder eine Patientin von der ersten Symptomwahrnehmung bis zum Abschluss der Behandlung zurücklegt. Dabei durchlaufen Patient:innen verschiedene Phasen mit individuellen Berührungspunkten, je nach Erkrankung, Behandlung und Persönlichkeit. Eine mögliche Einteilung der Patient Journey in fünf Phasen ist:
- Symptomerkennung: In dieser Anfangsphase bemerken Patient:innen gesundheitliche Symptome oder Beschwerden. Dies kann von körperlichen Beschwerden bis zu emotionalen Veränderungen reichen.
- Recherche und Informationsbeschaffung: Nach der Symptomerkennung beginnen Patient:innen oft nach Informationen über ihre Gesundheitsprobleme zu suchen. Dies kann durch Online-Recherche, Gespräche mit Familie und Bekannten oder den Besuch von Gesundheitsexperten erfolgen.
- Diagnose und Beratung: Danach suchen Patient:innen normalerweise einen Arzt oder Ärztin auf, um eine Beratung und genaue Diagnose zu erhalten.
- Behandlung: Sobald die Diagnose gestellt ist, beginnt die Behandlungsphase. Diese kann Medikamente, Therapien oder chirurgische Eingriffe umfassen.
- Genesung und Nachsorge: Abschließend steht die Genesungsphase an, die Nachsorgeuntersuchungen, physikalische Therapie oder andere Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit einschließen kann.
Die Patientenreise ist jedoch nicht nur ein linearer Prozess, sondern kann auch Rückschläge, Wiederholungen, Abbrüche oder Wechsel beinhalten. Sie wird von medizinischen, psychischen, sozialen und emotionalen Faktoren beeinflusst. Daher sollten auf der Reise die Bedürfnisse, Erfahrungen, Barrieren und Chancen der Patient:innen erfasst und berücksichtigt werden.
Ergebnisse nutzen: Patientenerfahrung verbessern
Die Definition und Darstellung der Patient Journey ermöglicht anschließend die Planung und Umsetzung von Marketingstrategien und -kampagnen auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse. Mithilfe der dokumentierten Patient Journey lassen sich häufig folgende Fragen beantworten:
- Was sind die wichtigsten Bedürfnisse und Erwartungen der Patienten an die Behandlung und die Betreuung?
- Was sind die größten Barrieren und Hindernisse, die die Patienten auf ihrem Weg erleben oder befürchten?
- Was sind die besten Chancen und Möglichkeiten, die die Patienten auf ihrem Weg nutzen oder wünschen?
- Was sind die entscheidenden Erfahrungen und Erlebnisse, die die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Patienten beeinflussen?
- Was sind die relevantesten Ergebnisse und Auswirkungen, die die Behandlung und die Betreuung auf die Patienten haben?
Die Antworten auf diese Fragen können Gesundheitsdienstleistern helfen, zum Beispiel ihre Kommunikations- und Marketingaktivitäten auf die Bedürfnisse und Verhaltensweisen ihrer Patienten abzustimmen – und so die Erfahrung zu verbessern.
Zwei konkrete Beispiele:
Beispiel 1:
Ein Gesundheitsdienstleister, der sich auf die Behandlung von Allergien spezialisiert hat, möchte seine Patient Journey verbessern. Bei einer Analyse hat sich herausgestellt, dass Patienten bereits Hemmungen haben einen Termin zu vereinbaren. Die Informationen auf der Website beinhalten zu viel Fachsprache, was dazu führt, dass den Patient:innen der Ablauf der Behandlung nicht klar ist und auch die Vorteile der Behandlung nicht gesehen werden.
Basierend auf diesen Ergebnissen entscheidet sich der Gesundheitsdienstleister den Ablauf einer möglichen Behandlung auf der Website einfach zugänglich und als verständliche Grafik darzustellen. Als weitere Maßnahme überarbeitet der Anbieter auch die Sprache der Website mit verständlicheren Formulierungen und weniger Fachsprache, damit die Inhalte auch ohne Fachwissen informativ und nicht überfordernd sind.
Beispiel 2
Ein Gesundheitsdienstleister führt eine Studie unter seinen Patienten durch, die eine Herzoperation oder einen Herzinfarkt hatten. Die Patient Journey zeigt unter anderem, dass viele Patient:innen während der Nachsorge unmotiviert oder vergesslich sind und so die empfohlenen Medikamente nicht einnehmen oder Kontrolluntersuchungen auslassen.
Um diese Erfahrung zu verbessern, bietet der Dienstleister den Patient:innen die Möglichkeit Emails, SMS oder Telefonanrufe während der Nachsorge zu bekommen. Diese können verschiedene Aspekte beinhalten. Dazu zählen Erinnerungen an die regelmäßige Einnahme der Medikamente, Termine zur Nachsorge oder Aufforderungen sich bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustands zu melden.
Ziele, Methoden und Werkzeuge für die Patientenreise
Ziel der Patient Journey ist es, komplexe Beziehungsmuster zwischen den verschiedenen Patient:innen, ihrem Krankheitsverlauf, den beteiligten Health Care Professionals und anderen Einflussfaktoren wie Familie oder Online Gesundheitsinformationen und Communities umfassend zu erforschen. Dafür stehen verschiedene Methoden und Werkzeuge bereit:
Die Patientenbefragung dient dazu, die Meinungen und Einstellungen der Patienten zu ihrer Erkrankung, Behandlung und Betreuung zu erfassen. Sie können online, telefonisch oder persönlich durchgeführt werden und quantitative oder qualitative Daten liefern.
Patienten-Tagebücher erlauben eine kontinuierliche Dokumentation der Patient Journey aus der Perspektive des Patienten. Sie können schriftlich oder digital geführt werden und verschiedene Aspekte der Erkrankung, der Behandlung und der Betreuung erfassen. Aber auch Aspekte wie zum Beispiel Symptome, Medikation, Arztbesuche, Stimmungen und Aktivitäten können erfasst werden.
Eine Methode zur Visualisierung sind Patienten-Journey-Maps. Sie stellen grafisch den Weg von Patient:innen durch die Erkrankung, Behandlung und Betreuung dar. Dabei zeigt die Darstellung die verschiedenen Stationen, die Berührungspunkte bzw. Touchpoints mit den verschiedenen Gesundheitsdienstleistern. Abbildbar sind auch die Erfahrungen der Patient:innen.
Fazit
Die Gesundheitsversorgung ist mehr als nur die medizinische Behandlung von Krankheiten. Sie ist auch eine emotionale Reise, die Patient:innen individuell erleben. Diese Reise wird als Patient Journey bezeichnet und ist ein wichtiges Konzept, um die Perspektive der Patient:innen zu verstehen und zu berücksichtigen.
Mit verschiedenen Methoden und Werkzeugen kann die Patient Journey definiert und dargestellt werden, um die Bedürfnisse, Erwartungen und Erfahrungen der Patienten zu erfassen. So kann die Gesundheitsversorgung aus der Perspektive der Patient:innen optimiert werden.
Headerbild: studioroman / Canva