01. September 2022 | Fabian Oppel
argeld, Kreditkarte, Girokarte, PayPal, Apple Pay, Google Pay und so weiter und so fort: Um zu bezahlen, kann man zwischen vielen verschiedenen Möglichkeiten wählen. In der Schweiz hingegen gibt es einen Anbieter, der anderswo fast unbekannt ist: TWINT. Ein Grund, mit Expert:innen darüber zu sprechen! Für diesen Artikel haben wir uns mit Nina Burger und René Jeitziner unterhalten, beide Senior Research Manager bei GIM Suisse.
Was ist TWINT?
„Für mich persönlich ist TWINT wie ein digitales Portemonnaie, mit dem ich fast überall zahlen kann – ob im Restaurant, im Hofladen oder auf dem Flohmarkt“, beschreibt Nina. TWINT ist eine App, mit der Menschen einerseits Zahlungen tätigen, andererseits aber auch untereinander Geld versenden können. Einer der größten Unterschiede zum gerade in Deutschland bekannten PayPal: TWINT ist über die Handynummer in der Regel direkt an das eigene Bankkonto angebunden. Ebenfalls verfügbar ist eine eher selten genutzte Prepaid-Variante.
Fast alle Schweizer Banken bieten TWINT als jeweils eigene App an. Es ist heute ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer Kreditinstitute – so kann das System die beauftragten Bewegungen quasi in Echtzeit ausführen, unabhängig davon, bei welchem Anbieter Nutzer:innen ihr Konto haben. Geld wird also sofort gebucht, Empfänger:innen müssen nicht darauf warten. Das ist unter anderem bei gemeinsamen Abenden in Restaurants oder Bars nützlich: „Rechnungen können gesplittet werden und jeder kann seinen Teil zahlen oder es direkt an eine andere Person twinten“, erklärt René. Für private Nutzer:innen ist der Gebrauch von TWINT aktuell kostenlos.
Die meisten User sind unter 39
Twinten, also mit TWINT zu zahlen oder Geld zu versenden, ist in der Schweiz weit verbreitet. Neben vielen Schweizer Online-Shops und Supermärkten akzeptieren TWINT auch viele Restaurants, Bars und Bäckereien. Selbst bei Hofläden, auf Flohmärkten oder an Automaten ist TWINT nutzbar.
Wie Nutzer:innen TWINT im Alltag einsetzen, scheint aber sehr individuell. Während Nina die App sehr umfangreich nutzt, nutzt sie René hauptsächlich dann, wenn es um Peer-to-Peer-Payments – also Geldüberweisungen innerhalb des Freundeskreises – geht: „Das reine Bezahlen in Restaurants oder Einkaufsläden funktioniert mit der Kreditkarte für mich immer noch etwas einfacher und schneller“, erklärt er.
Dennoch, die Technologie findet breite Anwendung: Der Zahlungsdienst selbst sprach Anfang dieses Jahres von über vier Millionen aktiven Usern. Zum Vergleich: In der Schweiz leben insgesamt über 8,8 Millionen Menschen. Das deckt sich auch mit unabhängigen Zahlen. Eine repräsentative Erhebung der Interessengemeinschaft Elektronische Medien Schweiz (IGEM) belegt beispielsweise, dass 42 Prozent der Schweizer Bevölkerung TWINT nutzen.
Klar scheint: es sind vor allem die jüngeren, die TWINT nutzen. Das zeigen Zahlen zur Altersverteilung. Ende 2020 war mehr als die Hälfte der User bis 39 Jahre alt, Bis-49-Jährige machten fast 20 Prozent der User aus, die Bis-59-Jährigen noch einmal rund 15 Prozent. Die User über 59 Jahren hatten dagegen keine neun Prozent Anteil, wie das Institut für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern im Rahmen der Mobile Payment Studie Schweiz 2020 erhob. Da ein Smartphone nötig ist, um TWINT nutzen zu können, verwundert die Altersverteilung nicht.
Auch kleine Anbieter nutzen TWINT
Auch Initiativen und Vereine können auf TWINT zurückgreifen. Nina betreut beispielsweise in einem lokalen Verein diese Zahlungsmethode. Bei Kuchenverkäufen oder ähnlichen Aktionen können Gäste direkt über die App zahlen. Außerdem können Vereinsmitglieder per TWINT nicht nur den Jahresbeitrag übermitteln, sondern in der App auch gleich die Daten für das Mitgliedsformular ausfüllen – der Papierkram reduziert sich also für alle. Hier werden jedoch weitere Kosten für den Verein fällig.
Bezahlen funktioniert über verschiedene Wege, meist über einen QR-Code: Beispielsweise können Läden zum Bezahlen einen QR-Code generieren, den die Kunden abscannen, um so zu zahlen. Eine Bezahlfunktion via Bluetooth funktioniert ebenfalls.
Auch in Onlineshops können Shopper twinten: Bei einem Kauf über das Smartphone wechselt man direkt in die TWINT-App, am PC können Shops wieder einen QR-Code generieren.
… und in Deutschland?
Aus regulatorischen Gründen ist TWINT aktuell nur in der Schweiz und Liechtenstein verfügbar. Voraussichtlich noch 2022 soll die App aber mit dem in Deutschland und Österreich verfügbaren europäischen Zahlungssystem Bluecode interagieren können, sodass ab dann im gesamten DACH-Raum getwintet werden könnte. Wir sind gespannt!
Kontakt
Nina Burger
Senior Research Manager GIM Suisse
N.Burger@g-i-m.com
René Jeitziner
Senior Research Manager GIM Suisse
R.Jeitziner@g-i-m.com
GIM Suisse ist die Schweizer Tochter der GIM mit Sitz in Zürich. Gegründet 2005, bieten die Expert:innen von GIM Suisse ein breites Methodenportfolio für qualitative wie quantitative Forschung sowie Schwerpunkte in allen Branchen. Eingebunden ins GIM-Netzwerk mit weiteren Standorten in Deutschland, Frankreich und China sowie mit Partnern auf dem gesamten Globus verfügt GIM Suisse über Forschungswissen auf internationalem Niveau mit lokaler Kompetenz.
Weitere Informationen findet Ihr unter www.g-i-m.ch, Kontaktanfragen könnt Ihr jederzeit gerne über das Formular stellen.
Headerbild: TWINT.