04. August 2021 | Laura Singh
achhaltigkeit wird auch bei Reinigungsmitteln immer relevanter. Im Vergleich zur Kategorie Lebensmittel ist das Thema hier jedoch noch wenig präsent. Welche Barrieren gibt es, um nachhaltige Reinigungsmittel zu kaufen? Und wie können Hersteller diesen begegnen? Zu diesen Fragen haben wir mit Tanja Herbst und Sascia Wessäly gesprochen. Die beiden GIM Homecare-Expertinnen stellen Insights aus ihrer Forschung und einer aktuellen Onlinecommunity zum Thema vor.
Hallo Sascia und Tanja! Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit nehmt, um mit uns einige Erkenntnisse aus Eurer Forschung zu diskutieren. Wie präsent ist denn das Thema Nachhaltigkeit im Bereich der Reinigungsmittel überhaupt?
Tanja: Es gibt immer mehr nachhaltige Produktangebote in dem Bereich. Trotzdem spielt der Aspekt bei den Kaufentscheidungen noch eine eher untergeordnete Rolle – vor allem im Vergleich zu anderen Branchen, wie z.B. der Lebensmittelindustrie. Konsument*innen entscheiden sich selten bewusst für nachhaltige Reinigungsmittel. Auch spannend: Viele wissen gar nicht, dass sie bereits nachhaltige Putzmittel verwenden. Das zeigt natürlich auch, dass beim Kauf oft andere Aspekte eine Rolle spielen.
Mal ganz allgemein gefragt: Wann können Reinigungsmittel als nachhaltig bezeichnet werden?
Sascia: Das ist eine spannende Frage, denn Nachhaltigkeit ist natürlich auch bei Reinigungsmitteln ein breites Feld und kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden: Vom Packaging und den Inhaltsstoffen angefangen, bis hin zu den Unternehmenswerten. Natürlich gibt es auch bei Reinigungsmitteln viele offizielle Siegel und Auszeichnungen, die Orientierung geben.
Tanja: Uns interessiert vor allem, woran Konsument*innen Nachhaltigkeit festmachen. Anders als bei Lebensmitteln – wo auch die eigene Gesundheit eine große Rolle spielt – ist Nachhaltigkeit bei Reinigungsmitteln vor allem ein Umweltthema! In anderen Worten: Nachhaltige Lebensmittel werden gekauft, um sich und der eigenen Gesundheit etwas Gutes zu tun. Bei nachhaltigen Reinigungsmitteln hingegen geht es um den Umweltschutz, also weniger um die eigenen Bedürfnisse.
Welche Relevanz haben nachhaltige Reinigungsmittel für Konsument*innen?
Sascia: Im Reinigungsbereich sind Konsument*innen in Sachen Nachhaltigkeit vergleichsweise unkritisch. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen wiegt der Gesundheitsaspekt geringer, wie Tanja gerade schon erklärt hat. Zum anderen ist es für Konsument*innen mit Blick auf die Inhaltsstoffe schwieriger nachzuvollziehen, was im Produkt eigentlich drinsteckt. Und sind wir mal ehrlich: Wer von uns hat sich schon einmal die Inhaltsstoffe seiner Reinigungsmittel durchgelesen? Bei Lebensmitteln ist das inzwischen schon gang und gäbe.
Tanja: Im Bereich Haushaltsmittel ist Nachhaltigkeit zwar immer stärker im Kommen, aber noch nicht top of mind. Das hat auch mit der wahrgenommenen Effizienz der Produkte zu tun: Nachhaltigen Reinigungsmitteln hängt das Image nach, dass sie weniger „Power“ haben als herkömmliche Produkte und weniger gründlich reinigen.
Und wie kommt es, dass nachhaltige Reinigungsmittel als weniger effizient wahrgenommen werden?
Tanja: Das liegt vor allem an einem wahrgenommenen Widerspruch zwischen Umweltschutz und Effizienz. Anwender*innen gehen davon aus, dass Putzmittel chemisch sein müssen, damit sie richtig was „leisten“. Vor allem in Anwendungsbereichen mit groben Verschmutzungen (Beispiel Backofen) oder an Stellen, bei denen es auf eine antibakterielle oder antivirale Reinigung ankommt (Beispiel Toilette), ist die Annahme weitverbreitet, dass nur chemische Substanzen die gewünschte Reinigungsleistung erbringen.
Sascia: Neben der Effizienz spielt auch die Schnelligkeit eine wichtige Rolle: So gehen Konsument*innen vielfach davon aus, dass nachhaltige Reinigungsmittel aufwendiger und zeitintensiver in der Verwendung sind, z.B. aufgrund längerer Einwirkzeiten.
Was sind Eure Empfehlungen für Hersteller, um dieser Wahrnehmung entgegenzuwirken?
Tanja: Hersteller nachhaltiger Reinigungsmittel müssen mehr Aufklärungsarbeit darüber leisten, wie wirksam ihre Produkte sind – vor allem im Vergleich zu herkömmlichen Reinigungsmitteln. Hier spielt das Thema Reassurance für User eine große Rolle. Marketingseitig sollte alles dafür getan werden, die Effizienz und Benefits der Produkte zu unterstreichen. Aktuell gibt es beispielsweise den Trend, Hausmittel wie Backpulver und Essigessenz als natürliche und kostengünstige Alternativen zu verwenden. Für Konsument*innen sollte klarwerden, was ein nachhaltiges Reinigungsmittel von diesen Produkten abhebt.
Sascia: Durch nachhaltige Produkte dürfen Konsument*innen keine erheblichen Nachteile entstehen: weder bei Wirksamkeit und Leistung noch bei Handhabung und Aufwand. Um ein Beispiel zu geben: Nachhaltige Waschmittel sollten auch bei 90 Grad einsetzbar sein und der nachhaltige Toilettenreiniger eine kurze Einwirkzeit haben.
Tanja: Die Wirksamkeit der Produkte sollte auch im Packaging stärker unterstrichen werden. Das kann durch visuelle Signale von Effizienz (z.B. die glänzenden Kacheln) oder bestimmte Begrifflichkeiten passieren. Auch der Duft ist ein wichtiger Aspekt und kann nahelegen, dass das nachhaltige Putzmittel eine gute Effizienz hat – oder eben nicht.
Sascia: Generell muss Nachhaltigkeit vom Hersteller ganzheitlich gedacht werden. Mal überspitzt formuliert: Es ist unglaubwürdig, wenn in einer nachhaltigen, recycelten Verpackung eine Chemiekeule steckt. Es geht also darum, Effizienz auszuloben aber sich trotzdem nicht mit chemischen Produkten gleichzustellen. Das ist natürlich oft ein schmaler Grat. Deswegen sollte genau überlegt werden: Wie und in welchem Bereich kann Nachhaltigkeit glaubwürdig umgesetzt werden?
Das ist ein gutes Stichwort, um ein bisschen detaillierter über mögliche Research-Lösungen zu sprechen. Denn genau mit solchen Fragestellungen kommen Eure Kunden ja sicherlich regelmäßig auf Euch zu. Wie geht Ihr hier vor?
Sascia: Im ersten Schritt geht es natürlich immer darum, mit den Kund*innen genau zu definieren, was die Zielsetzung ist. Um bei dem Punkt „Glaubwürdigkeit“ als Beispiel zu bleiben. Hier würde sich methodisch zum Beispiel ein Markenstretching anbieten. Das heißt, wir würden Insights zu der Frage generieren, welche Kompetenzbereiche glaubwürdig sind und wann die Kompetenzen überschritten werden.
Tanja: Es bieten sich in dem Bereich generell unglaublich viele Ansätze an. Angefangen von Produkt- oder Packagingüberprüfungen und Markenpositionierungen bis hin zu POS-Studien und dem Ausloten von Line-Extensions. Interessant sind auch Segmentierungen von Konsument*innen, bei denen wir verschiedene Reinigungstypen mit unterschiedlichen Bedürfnissen clustern. Natürlich bieten sich auch Customer Journeys an, um zum Beispiel herauszufinden, wo sich Konsument*innen über Produkte informieren und welche Informationen auf der Verpackung gelesen und wahrgenommen werden.
Spannend! Zum Schluss würde ich gerne noch kurz mit Euch auf die Onlinecommunity blicken. Welche Vorteile bietet diese Methode?
Sascia: Wir haben Anfang des Jahres mit unserer neuen Online-Research-Community gestartet. Das Besondere an der Methode: Sie ermöglicht einen unkomplizierten und schnellen Zugang zu verschiedenen Zielgruppen. Die Kurzstudie zum Thema „nachhaltige Reinigungsmittel“ war eines unserer Pilot-Projekte. In Zukunft wird man noch mehr von der Online-Research-Community hören, alle Interessierten können sich deswegen den Namen „GIM Mitmaker“ schon mal merken :-)
Dann freuen wir uns, bald mehr von GIM Mitmaker zu erfahren! Vielen Dank Euch für die interessanten Einblicke.
Kontakt
Bei Fragen und Rückmeldungen zum Thema könnt Ihr Euch jederzeit gern mit Tanja und Sascia in Verbindung setzen :-) Weitere Informationen zum Forschungsangebot der GIM findet Ihr auch auf unserer Branchenseite Cleaning & Washing.
Tanja Herbst
Research Director
t.herbst@g-i-m.com
Sascia Wessäly
Senior Research Manager
s.wessaely@g-i-m.com
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