30. Juni 2022 | Sabrina DREXEL
ie sommerliche Hitze lockt uns aktuell zum nächstgelegenen Badesee. Also Zeit sich in den Fahrradsattel zu schwingen und eine CO2-neutrale Reise anzutreten. Doch so klimaneutral wie das Fahrradfahren an sich ist die Produktion des Rads leider nicht immer. Wir wollen euch daher heute eine nachhaltigere Alternative zum Standardfahrrad aus Stahl, Aluminium oder Carbon vorstellen: Fahrräder aus Bambus. Richtig gelesen! Bereits seit den 2000ern erfreut sich das Bambusfahrrad zunehmender Beliebtheit unter umweltbewussten Bikern.
Bambus – der „Superheld“ unter den nachhaltigen Rohstoffen
Bambus wird bereits für eine Vielzahl von Produkten eingesetzt: Von Alltagsgegenständen wie Besteck und Körben bis hin zu Spezialprodukten wie Baugerüsten. In vielen asiatischen Ländern werden Bambusbaugerüste verwendet, da Bambus besonders elastisch und stabil ist. Zudem hat Bambus eine zweifach so hohe Zugfestigkeit wie Stahl. Das heißt, er ist doppelt so stark belastbar wie Stahl, bevor das Material zerbricht.
Außerdem ist Bambus der am schnellsten nachwachsende Rohstoff der Welt mit einer täglichen Wachstumsrate von bis zu einem Meter je nach Bambusart. Nach sieben Jahren hat er seine Endhöhe erreicht, die bis zu 40 Meter betragen kann – aber bereits nach drei bis fünf Jahren kann der Bambus geerntet werden. Bis das Bambusfahrrad bei den Bikern ankommt, ist der Rohstoff daher zu einem guten Stück schon wieder nachgewachsen! Außerdem wandelt Bambus hohe Mengen an CO2 und produziert im Gegenzug bis zu 35% mehr Sauerstoff als vergleichbar große Hartholzbäumen. Auch ist interessant: Er ist von Düngermitteln, Pestiziden und künstlicher Bewässerung unabhängig.
Neuer Trend oder verlorener Schatz aus der Vergangenheit?
Eine neue Erfindung ist das Bambus-Fahrrad jedoch nicht. Bereits 1984 wurde das erste Fahrrad aus Bambus in London ausgestellt. Doch die zunehmend kostengünstigere Produktion von Stahl und Aluminium verhinderte einen Siegeszug des Bambusfahrrades. Erst in den 2000ern entdeckte der US-Amerikaner Craig Calfee das robuste und langlebige Material für Fahrräder wieder: Ursprünglich als Werbegag gedacht, sind die Calfee Bikes heute eine Bekanntheit unter Bikern. Das Besondere an ihnen: Sie können in einem Workshop unter Anleitung selbst gebaut und somit hochgradig individualisiert werden. Ein Erfolgsrezept, das sich in den letzten Jahren bewährt hat und den Calfee Bikes eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen brachte.
Seitdem produzieren weltweit eine Reihe von Anbietern wie z.B. Eker (Schweden) und Bamboocycles (Mexiko) ebenfalls Fahrräder aus diesem Material. In Deutschland sind die lokalen Anbieter My Boo, Pine, Faserwerk, Urbam und Stark Bamboo Ride bekannt und beliebt. Eine Gemeinsamkeit vieler Bambusfahrrad-Produzenten: Sie kooperieren mit lokalen Partnern und Initiativen in Ländern wie Vietnam und Uganda. Somit wird neben der ökologischen auch die soziale Nachhaltigkeit unterstützt.
My Boo ermöglicht mit dem Yonso Project Model School Kindern in Ghana den Besuch einer Schule. Seit der Schuleröffnung 2019 wurden eigenen Angaben zufolge bereits 300 Schulstipendien vergeben. Stark Bambus Ride kooperiert mit einer NGO in Vietnam, die Frauen fair bezahlte und langfristige Job bietet.
My Boo Bambus Produktion in Ghana (Image: My Boo)
Wie wird ein Bambusfahrrad produziert?
My Boo baut die Bambusfährräder in aufwendiger Handarbeit, um den Kunden:innen laut Homepage ein „individuelles Traumfahrrad“ zu können. Der Fahrradrahmen ist aus Bambus, der in Ghana produziert und angefertigt wird. Die Endmontage erfolgt dann in Deutschland (Kiel). Ca. 80 Arbeitsstunden sind allein für den Rahmenbau aus Bambus notwendig. Aufgrund der geraden Struktur können Bambusrohre als ganzes Stück verwendet werden. Zusammengehalten werden sie je nach Anbieter von Sisal- oder Hanfseilen. Am Ende steht ein einzigartiges Produkt: denn jeder Bambus unterscheidet sich in seiner Optik und Beschaffenheit.
Natürlich haben aber auch Bambusräder ihren Preis. Aufgrund der Handarbeit beginnen die meisten Bambusfahrräder erst ab einem Preis von ca. 2.000 Euro pro Stück. So ist das Citybike my Pra von der Marke My Boo beispielsweise für 1.999 Euro erhältlich. Das günstigste Angebot bietet Stark Bamboo Bikes mit Preisen ab 890€. Andererseits gehen die Preise für E-Bikes noch weiter oben los.
Wer weiß, vielleicht fahren wir selbst in Zukunft ja auch mit einem so schicken Fahrrad zum sommerlichen Badesee. Eine interessante Alternative zum Fahrradrahmen aus energieintensiven Stoffen ist ein Bambus-Bike auf jeden Fall. Wir sind gespannt, ob sich das Rad aus der Nische heraus auch zu einer Alternative für die Breite entwickelt.
Header: Robert Strehler, My Boo