03. November 2022 | Fabian Oppel
s war ein monatelanges Hin und Her – nun ist der Deal besiegelt: Tech-Milliardär Elon Musk hat den Kurznachrichtendienst Twitter für 44 Milliarden US-Dollar gekauft und als erste Amtshandlung hochrangige Manager:innen entlassen. Musk versucht, aufgeschreckte Werbekunden und User zu beruhigen. Ob ihm das gelingt, ist aber unklar.
Welche Relevanz hat Twitter?
Zuallererst: Warum überhaupt der Aufruhr um Twitter? Eine Social Media App unter vielen, könnte man glauben. Aber so einfach ist das nicht. Twitters Rolle im öffentlichen Diskurs ist enorm, weil es ein beinahe weltweit genutztes Forum ist. Es gilt für viele als die relevanteste öffentliche Meinungsplattform, die Einfluss in die Breite entfaltet – direkt und indirekt.
Warum hat Musk Twitter gekauft?
Schon vor Monaten hatte Musk sein Interesse an Twitter bekundet. Im April war eine Kaufvereinbarung geschlossen worden, Musk ließ den eingefädelten Deal aber platzen. Dann verklagte Twitter den Milliardär, daraufhin verklagte der Milliardär das Netzwerk. Das Hin und Her hat nun aber ein Ende gefunden: Dem Tech-Unternehmer Musk gehört nun der Kurznachrichtendienst.
In einem Brief, den Musk kürzlich veröffentlicht hat, wandte er sich an die aufgeschreckten Werbekunden und erläuterte seine Beweggründe für die Übernahme. Er habe Twitter nicht gekauft, um mehr Geld zu verdienen, sondern weil die Klickzahl-getriebenen Sozialen Medien zu polarisierten Extremen führten. Dadurch entstünden Echokammern an den linken und rechten Rändern, die auch die Gesellschaft spalteten. Für die Zukunft der Zivilisation sei aber ein digitaler Marktplatz der Meinungen wichtig, auf dem ein Austausch stattfinden könne, der nicht in Gewalt umschlägt. Er wolle demütig der Menschheit dienen – wissend, dass seine Anstrengungen auch scheitern könnten.
Wie geht es mit Twitter weiter?
Dass Elon Musk einen neuen Weg mit dem Netzwerk einschlagen will, ist offensichtlich. Noch in der Nacht der Übernahme hat er mehrere Top-Manager:innen Twitters entlassen, darunter der ehemalige CEO, der Finanzvorstand sowie die oberste Juristin. Inzwischen hat Musk auch den Verwaltungsrat des Unternehmens aufgelöst. Jetzt ist er alleiniger Direktor.
Erste weitere Pläne wurden kürzlich bekannt: Den Umgang mit kontroversen Tweets und Themen will Musk mit einem internen Gremium neu regeln. Und „aus geringfügigen und zweifelhaften Gründen“ gesperrte Konten könnten nach Musks Vorstellungen wieder freigeschaltet werden. Außerdem soll die Verifikation von Usern – also das Verleihen des blauen Häkchens neben dem Profilnamen – kostenpflichtig werden.
Wie reagieren die User?
Weltweit wird die Übernahme kritisch beäugt. Sorgen gehen um, die Diskussionskultur auf dem Portal könnte künftig noch härter und unflätiger werden. Berichte werden laut, das Netzwerk werde seit der Übernahme mit Hass-Posts überflutet. So schreibt die Washington Post, dass in den Stunden nach der Twitter-Übernahme die Zahl von rassistischen Posts überproportional angestiegen sei. Dass Musk die globale Diskussionskultur einseitig beeinflussen könnte, oder dass er sich mit Twitter Vorteile für seine anderen Geschäftsfelder – darunter Tesla und SpaceX – verschaffen könnte, wird ebenfalls von manchen befürchtet.
Unterdessen versucht Musk diese Sorgen zu entkräften: Twitter dürfe kein Medium werden, in dem ohne Konsequenzen alles gesagt werden könne – die Gesetze der jeweiligen Länder würden Anwendung finden, schreibt er in dem Brief weiter.
Das glauben nicht alle. Im Trend als Twitter-Alternative liegt aktuell das Open-Source-Netzwerk Mastodon. So hat Satiriker Jahn Böhmermann hier bereits einen Account angelegt und seine Twitter-Follower eingeladen, ihm auch dort zu folgen. Ob Mastodon aber eine reelle Alternative ist, oder aber bald wieder in der Senke der unzähligen Sozialen Medien verschwindet (man denke hier an Clubhouse), bleibt abzuwarten. Das hängt auch davon ab, wie sehr die Folgen von Musks Eingriffen in das Netzwerk die Userschaft abschreckt.
Und die Werbekunden?
Ob sich Twitter halten kann, entscheidet sich auch über die Werbekunden: Zuletzt machten Werbeerlöse über 90 Prozent der Einnahmen aus. Musk beschrieb in seinem veröffentlichten Brief, die Plattform müsse einladend und individuell auf die Wünsche ihrer Nutzer:innen zugeschnitten sein. So könne Twitter zu einer aufstrebenden Werbeplattform werden, die die Marken stärke und Unternehmen zu Wachstum verhelfen könne.
Doch auch hier bleiben Zweifel. Beispielsweise der US-amerikanische Autobauer General Motors hat zwischenzeitlich seine Werbeaktivitäten auf Twitter ausgesetzt. Das sei ein gewöhnlicher Vorgang, wird das Unternehmen zitiert. Dieser „normale Vorgang“ zeigt aber, dass auch große Werbekunden unsicher sind, in welche Richtung sich Twitter entwickeln wird. Unklar ist, ob die Plattform noch als Medium für die Marke attraktiv ist, wenn Musk seine Vorstellungen durchsetzt – und womöglich eine Nutzer-Wanderschaft zu anderen Netzwerken stattfindet.
Header-Bild: Sara Kurfeß/unsplash