25. August2022 | Laura Singh
Wir sprachen bereits am Dienstag im GIM Radar Interview mit unseren Branchenexpertinnen Stefanie Gröbe & Rebecca Stark de Pellecer (für den Bereich Food & Retail) und Maria Wronka & Tina Choi-Odenwald (für Home & Beauty) über die Auswirkungen der Inflation im FMCG Bereich – vor allem im Hinblick auf Consumer Mindsets. In Teil zwei des Interviews blicken die vier Expertinnen auf Möglichkeiten, die sich für Hersteller ergeben sowie den Megatrend Nachhaltigkeit, der unser Konsumverhalten im FMCG Bereich ebenso verändert!
GIM Radar: Was beeinflusst denn letztlich die Einkaufsstrategie oder ob jetzt gespart wird oder nicht?
Maria: Involvement ist hier ein zentraler Faktor, der bestimmt, welche Strategien in den jeweiligen Produktkategorien dominierend sind. Kosmetik ist in diesem Sinne für viele ein „high Involvement“-Produkt. Das hat viel mit Selbstfürsorge zu tun, hier ist man eher als bei Haushaltsprodukten geneigt, sich „etwas Gutes“ zu tun. Der Griff zur Eigenmarke und zum Sonderangebot liegt daher bei Homecare näher als im Kosmetikbereich.
Tina: Eine weitere interessante Strategie, um zu Sparen ist schlicht und einfach seltener einzukaufen: wir beobachten, dass Konsument:innen weniger oft, dafür geplanter einkaufen – sei es per Einkaufszettel, getrieben von Sonderangeboten oder gar kurz vor Ladenschluss, um aufgrund des ablaufenden MHD preisreduzierte Waren zu erhalten. Auf der anderen Seite wird auch versucht, eben nicht in den Laden zu gehen, wenn man so richtig in „Shopping-Stimmung“ ist.
Und das funktioniert?
Tina: Ja schon, wir erleben verbreitet einen Rationalisierungsschub! Einkaufen nach dem Lustprinzip wird verstärkt hinterfragt. Insbesondere der Fashion Bereich leidet: schon „Corona“ hat die Einkaufslaune durch Lockdown und Homeoffice eingetrübt, jetzt tut die Inflation ihr Übriges. Konsument:innen wissen durchaus, dass viele Kleidungskäufe, objektiv betrachtet, nicht wirklich notwendig sind.
Durch die Inflation im FMCG Bereich werden Konsument:innen vielfach kreativ beim Shoppen: Um zu sparen, greifen sie zu unterschiedlichen Strategien. (Bild: Unsplash/ Donald Giannatti)
Vor dem Hintergrund interessiert uns natürlich auch, was Ihr Euren FMCG Kund:innen empfiehlt. Was können oder sollten Hersteller jetzt tun?
Steffi: Transparenz und Offenheit sind nun noch wichtiger als ohnehin schon. Hersteller sollten erklären, warum Preisanpassungen nötig sind. Auch Fairness, Nachhaltigkeit und eine gleichbleibend gute Qualität zu sichern, können schlüssige Argumente sein. Variierende Grammpreise oder verringerte Füllstände kommen hingegen nicht gut an und können von Konsument:innen leicht als „Täuschungsmanöver“ ausgelegt werden.
Tina: Zum Stichwort „Nachhaltigkeit“: Das Bedürfnis nach nachhaltigen Produkten besteht weiterhin. Man mag zwar aktuell zur günstigeren Marke greifen – dennoch spielen nachhaltige Verpackungen, Naturkosmetik und Schadstofffreiheit im Sinne von „free from“ immer noch eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung. Gerade im Kosmetik-Bereich wird sich dieser Trend auch fortsetzen.
Nachhaltigkeit verfestigt sich demnach als konsumbezogener „Megatrend“?
Maria: Einiges spricht dafür, zumindest sehen wir auch im Bereich Cleaning & Washing einen Push hin zu einer nachhaltigeren Konsumhaltung: Konsument:innen verzichten auf gewisse Produkte, dosieren Reiniger und Waschmittel sparsamer und reduzieren Waschtemperaturen. Dies kann von Herstellern aufgegriffen werden, um gemeinsam nachhaltiges Handeln zu fordern und zu fördern. Hier gilt es, Konsument:innen zu begleiten und das Gefühl zu verringern, man arbeite gegeneinander.
Nachhaltigkeit gewinnt für Konsument:innen an Bedeutung. Im Cleaning & Washing Bereich werden Reinigungs- und Waschmittelprodukte zunehmend sparsam dosiert. (Bild: istock.com/vadimguzhva)
Rebecca: Konsument:innen sehen sich aktuell gezwungen, nachhaltig zu handeln im Sinne eines sparsameren, bewussteren Konsumierens. Dazu gehört auch, bedarfsorientiert einzukaufen und Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Hersteller können beispielsweise ihre Packungsformate überdenken: Braucht jeder Haushalt immer eine Literpackung Milch? Kleinere Packungen für Verderbliches oder ggf. Großpackungen mit Preisvorteil können hier spannend sein.
Tina: Gerade Verpackungen stehen im Kosmetik- und Homecare Bereich in der Kritik: Konsument:innen stören sich am Ressourcenverbrauch, der übermäßigen Verwendung von Plastik oder ungenügendem Recyclat-Anteil. Neben Nachhaltigkeit dürfte nun auch der Preis ein Argument gegen Verpackungsaufwand und Materialverschwendung sein.
Okay, Nachhaltigkeit wird ein Thema bleiben – die Inflation im FMCG Bereich vermutlich auch. Zum Abschluss deshalb noch ein kleiner Ausblick: Wie wird sie den FMCG Konsum weiter prägen? Worauf können sich FMCG Hersteller jetzt schon vorbereiten?
Maria: Das Zusammenspiel von Produktpreisen und verfügbarem Haushaltsbudget wird weiter eine ganz zentrale Rolle spielen! Kategorien wie Dekorationsartikel und Mode können daher von Umsatzeinbußen betroffen sein, auch ohne, dass sie ihre Preise substanziell erhöhen. Spontane Impulskäufe dürften abnehmen, die Lust an Shoppingtrips als Freizeitbeschäftigung oder am Ausprobieren neuer Marken und Produkte dürfte weiter gedämpft werden. Newcomer im Markt dürften es daher aktuell schwerer haben.
Rebecca: Im Bereich Food werden sich, die Inflation flankierend, Ernährungsstile nachhaltig ändern. Hersteller können Konsument:innen auf dem Weg in eine nachhaltige(re), vegetarische(re) und gesündere Ernährungsweise begleiten ohne Verzichtsappelle und erzieherischen Duktus. Konsum-Entscheidungen, die auch in Zukunft tragfähig sind, werden nicht aus Angst, sondern aus Überzeugung getroffen.
Steffi: Spannend wird auch, was der Winter bringt. Während der früheren Corona-Lockdowns erlebte die Food Branche einen Boom. Ernährung, Kochen und Backen wurde zum Herzensthema der Deutschen während einer Zeit, in der es an Erlebnissen mangelte – Nahrung war im wahrsten Sinne „Soul Food“. Mit Blick auf kommende Maßnahmen zur Corona-Eindämmung, erwarte ich daher eine gewisse Gegenbewegung zur derzeitigen Konsumzurückhaltung.
Wir sind gespannt! Vielen Dank Steffi, Rebecca, Maria und Tina für die interessanten Insights zu den Konsumenten-Mindsets und Eurer Arbeit.
Home & Beauty Expertinnen
Food & Retail Expertinnen
Tina Choi-Odenwald
Research Director
t.choi-odenwald@g-i-m.com
Rebecca Stark de Pellecer
Research Director
r.starkdepellecer@g-i-m.com
Maria Wronka
Research Director
m.wronka@g-i-m.com
Stefanie Gröbe
Senior Research Manager
s.groebe@g-i-m.com
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