03. Februar 2021 | Fabian Oppel
ie ist noch ganz jung, und bringt doch schon (oder wohl eher: gerade deshalb) den ein oder anderen Politiker in Bedrängnis: die Social-Audio-App Clubhouse. Noch immer in der Beta-Phase, also nicht final veröffentlicht, wurde in den letzten Tagen der Hype um die App immer größer. Worum es bei der neuen App geht, wollen wir in diesem Blogpost berichten :-) Unser Social-Media-Experte, Research Director Sebastian Maetje, schätzt die App unten für euch ein.
Clubhouse – Was ist das eigentlich?
Clubhouse ist eine sogenannte „Social-Audio-App“. Während andere Sozialen Medien auf Bild- und Video-Content setzen, geht es Clubhouse um Audio. Und zwar ausschließlich. User können in der App miteinander sprechen.
Die Struktur innerhalb der App weicht vom gewohnten Feed-Schema ab: Statt einer Content-Übersicht gibt es Räume, in denen sich User zusammenfinden, um miteinander zu sprechen – wie bei den Chatrooms Ende der 90er- und Anfang der 00er-Jahre.
Der Unterschied: Nicht alle User haben ein Rede-Recht. Moderatoren weisen dieses Recht zu und können es auch wieder entziehen. Dadurch entsteht eine Art digitale Podiumsdiskussion.
Wenn sich Nutzer mit denselben Interessen zusammentun, können sie einen sogenannten Club gründen. Damit können sie ihre Gesprächsrunden in einem Kalender planen und ankündigen – quasi ein Sendeschema veröffentlichen.
Mischung verschiedener Netzwerk-Eigenschaften
Die App besteht aus einer Mischung von Kernbestandteilen verschiedener anderer Medien: Wie bei Twitch (mit dem jeder selbst Videos live über das Internet ausstrahlen kann) können sich User in Echtzeit an eine Öffentlichkeit wenden. Und wie bei einem Podcast können User bestimmten Personen zuhören. Und wiederum wie bei Reddit (einem Netzwerk von Unterseiten, bei dem es für quasi jedes Thema ein eigenes Board mit Posts gibt) gibt es für jeden Geschmack und jede Thematik eigene Räume.
Veröffentlicht hat die App übrigens das Software-Unternehmen Alpha Exploration. Ein ehemaliger Pinterest- und ein ehemaliger Google-Mitarbeiter haben Clubhouse 2020 gegründet, in den USA ist die App etablierter als in Deutschland.
Exklusive Mitglieder
Mitmachen kann – zumindest im Moment – nur, wer ein iPhone nutzt und eingeladen wurde. Die Macher der App begründen das mit dem noch kleinen Team, das anders nicht Herr der Lage bleiben könnte. Diese künstliche Verknappung des Zugangs zum Netzwerk sorgt für eine Art Exklusivität – weil (noch) nicht jeder mitmachen kann. Das soll sich aber ändern.
Noch tummelt sich also eine sehr illustre Runde im Clubhouse: So beispielsweise der FDP-Chef Christian Lindner, ZDF-Journalistin Dunja Hayali oder Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer.
Aktuelle Inhalte
Grundsätzlich sind den Inhalten auf Clubhouse erstmal keine Grenzen gesetzt. Da die App aber eine gewisse Technik-Affinität voraussetzt, um teilnehmen zu können, ist die deutsche Community noch relativ klein und die auf Deutsch verfügbare Themenpalette auf die Steckenpferde der Early Adopters beschränkt: Laut der ZEIT (Link) dominierten in den ersten Tagen und Wochen im deutschsprachigen Clubhouse „Start-up-Gründerinnen, Influencer und Social-Media-Managerinnen mit ihren Interessen; entsprechend finden sich Talks zu Firmengründungen, Venture Capital und High Performers.“
App fordert neue Medienkompetenz: der Fall Bodo Ramelow
Das Konzept der Räume, in denen mehr oder weniger intim gesprochen wird, kann jedoch auch vergessen machen, dass es sich nach wie vor um ein öffentliches Medium handelt, zu dem im Zweifel (irgendwann jedenfalls) jeder Zutritt hat. Das musste in den vergangenen Tagen auch Bodo Ramelow lernen. Der MP von Thüringen gab in einer Gesprächsrunde zu, bei den Ministerpräsidenten-Konferenzen aktuell Candycrush zu spielen und nannte die Kanzlerin „Merkelchen“. Es zeigt sich also einmal mehr: Mit jedem neuen Medium gehen neue Fallstricke und Stolpersteine einher, die es zu beherrschen und beachten gilt.
Twitter Spaces erster Konkurrent
So jung Clubhouse auch ist – die erste Konkurrenz steht bereits ins Haus: Der Kurznachrichtendienst Twitter hat Mitte 2020 eine neue Funktion etabliert, die es ermöglicht, neben der begrenzten Buchstaben-Anzahl auch eine zeitbegrenzte Sprachnachricht zu posten – den Voice Tweet. Ende 2020 gab das Unternehmen dann bekannt, eine neue Kategorie von Inhalten anzubieten, namentlich „Spaces“. Die Spaces werden gerade mit einer kleinen Gruppe von Probanden getestet und ausgereift. Das Konzept ähnelt dabei sehr dem von Clubhouse: Twitter-User können dort in Echtzeit Gespräche miteinander führen.
Experten-Einschätzung
Der GIM-Experte für Social Media, Research Director Sebastian Maetje, kennt die App auch schon. Seine Einschätzung:
„Verglichen mit Video und Text ist Audio-Kommunikation in sozialen Medien noch nicht sehr verbreitet, hat jedoch viel Potenzial: zum Beispiel haben sich Sprachnachrichten bei WhatsApp im Laufe der letzten Jahre bei vielen Nutzern als Kommunikationsform der Wahl durchgesetzt. Auch bei Twitter gibt es seit geraumer Zeit die Möglichkeit, Sprachnachrichten zu posten, jedoch wird dieses Feature bisher eher noch selten genutzt. Clubhouse stößt mit dem neuen Angebot also in einen bisher noch eher unerschlossenen Markt vor. Es gibt jedoch bereits berechtigte Kritik an der App: die aktuelle Beschränkung auf eingeladene Nutzer mit iPhone ist nicht barrierefrei und steht auch der allgemeinen Idee von offener, gleichberechtigter Kommunikation entgegen.“
Die Frage bleibt nun, wohin die Reise geht. Ist Clubhouse ein Trend, der in der eintönigen und angespannten Corona-Lage Ablenkung verschafft? Oder entwickelt es sich zum ernstzunehmenden Medium, auf dem künftig öffentliche Konferenzen abgehalten werden? Das bleibt natürlich genauso abzuwarten wie die Entwicklung von Spaces bei Twitter, aber klar ist allein jetzt schon: Mit Clubhouse geht ein Ruck durch die Social-Media-Landschaft, die sich bisher doch stark in Richtung Bild- und Video-Content bewegt hatte. Wir behalten das Medium jedenfalls im Auge :-)
Headerbild: William Krause/unsplash