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Quo Vadis, Werbung?

Zuletzt aktualisiert: 17. Oktober 2022
New York Times Square als Beispiel für Werbeflächen im GIM Radar-Blogpost "Quo vadis Werbung"
17. Oktober 2022 | Sabrina Drexel und Frank Luschnat
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erbung ist, seit sie existiert, ein polarisierendes Phänomen: viele Menschen sind von ihr schlicht und einfach genervt, andere kritisieren ihre teilweise absurde und stereotype Abbildung gesellschaftlicher Sachverhalte (z.B. Geschlechterrollen) oder diskriminierende Darstellungen – meist von Frauen. Andererseits wird der Werbung zugutegehalten, sie leiste einen Beitrag zur Medienvielfalt und damit (im best case) zur Meinungspluralität. Und: sie wird seit jeher auch als Bestandteil unserer kulturellen Materie gesehen. Kurzum: An der Werbung scheiden sich schon immer die Geister – und das tun sie heute vielleicht mehr denn je.

An der Realität der Menschen vorbei?

In jüngster Zeit gesellte sich aus der Ecke der Kritiker:innen ein weiterer Vorwurf hinzu: in Zeiten nicht enden wollender Krisen und Katastrophen und vor allem einem Krieg im Osten Europas und einer historisch hohen Inflation, bildeten Werbespots, Anzeigen & Co. eine vollends andere Realität ab, als die Mehrzahl der Menschen bei uns real erlebt. Hier der reale Kostendruck und drohende Armut durch gestiegene Lebensmittel- und Energiepreise, dort die perfekte, wohlhabende Familie im 5-Millionen-Bungalow mit fettem SUV in der Einfahrt. Nun ja: dass die Werbung uns bisweilen Scheinwelten präsentiert, ist keine neue Erkenntnis und durchaus auch „part of the game“. Dass aber ausgerechnet einer der erfahrensten und bekanntesten Köpfe der hiesigen Werbeindustrie, der Media-Experte Thomas Koch, zuletzt höchstselbst mit „seiner“ Zunft deshalb abrechnete, kann durchaus als Alarmsignal für die Branche gewertet werden – und es ist nicht das einzige!

Werbung steht in der Kritik, von der Wirklichkeit abgehende Realitäten zu konstruieren. Bild: Ruize Li/Unsplash.
Lions im Clinch mit Greenpeace

Das weltweit renommierteste Kreativfestival, die Cannes Lions, gilt traditionell als Sammelpunkt für das who is who der globalen Werbebranche. Die Organisatoren stellten nun bei der letzten Ausgabe des Events aktuelle Blockbuster-Themen wie Diversität, Nachhaltigkeit und Purpose Marketing in den Fokus. Vorab geäußerte Kritik von Umweltschutzorganisationen, allen voran Greenpeace, wonach seit dem Pariser Klimaabkommen mehr Cannes Lions an Kampagnen verliehen wurden, die für klimaschädliche Produkte und Unternehmen warben, wurde dabei gekonnt ignoriert.

Big Tech wie immer unbeeindruckt … oder?

Ungeachtet der Kämpfe, die die klassische Werbung derzeit ausficht, scheint die Lust von Unternehmen, in digitale Werbung zu investieren, ungebrochen. Das Agenturnetwork Zenith prognostiziert, dass im Jahr 2024 der Anteil der Werbebudgets für digitale Medien auf 65 Prozent steigen wird – zum Vergleich: 2021 sind 59 Prozent des Werbebudgets in digitale Inhalte geflossen. Davon profitieren wird vermutlich „Big Tech“, also Digi-Giganten wie Google. Es wundert deshalb nicht, dass Meta, der Mutterkonzern von Facebook, derzeit neue Anzeigeformate und Werbemöglichkeiten in seinen Social Media Plattformen Instagram und Facebook präsentiert. Oder stecken dahinter doch eher die zuletzt rückläufigen Umsatzzahlen des Unternehmens – und/oder die lauter werdenden Abgesänge auf die für die Onlinewerbung wichtigen „3rd party cookies“?

Laptopt auf einem Schreibtisch, zu sehen mit zwei Händen. Eine Hand am Laptop, die andere hält ein Smartphone.
In Zukunft mehr Werbung auf Social Media Plattformen? (Bild: Austin Distel/Unsplash)
Eine Instagram & Facebook Story

Facebook aktualisiert derzeit seine Werbeanzeigen grundlegend und entwickelt neue Werbeformate für Facebook-Reels. Die neuen vier bis zehn Sekunden langen „Post-Loop“-Anzeigen ersetzen bisherige Werbespots am Ende der Reels. Es scheint jedoch unwahrscheinlich, dass Kund:innen diese mehr als einmal betrachten und eher (genervt) schnell „skippen“. Auch Instagram wird zukünftig mehr Werbung enthalten. So soll Werbung in Profil-Feeds zwischen den Beiträgen erlaubt werden. Getestet wird diese Neuerung derzeit in den USA. Dazu kommt noch eine Aktualisierung der Explorer-Startseite. Ab sofort sind Anzeigen direkt auf der Startseite zu finden, anstatt wie bisher in den Feed eingebaut zu sein. Der Konzern führt diese Neuerung derzeit weltweit ein.

Streaming-Service-Netflix
Bild: Unsplash/Mollie Sivaram

Übrigens: Streamingdienste wie Netflix und Disney+ planen sinkende Umsatzzahlen mit werbefinanzierten Abos auszugleichen, wie wir im GIM Radar kürzlich berichteten. Hier Artikel nachlesen!

Es bleibt spannend – und ambivalent

Die Frage, wie es mit der Werbung – klassisch wie digital – weitergeht, gehört derzeit zu den am heißesten diskutierten Themen im Marketing. Und dabei haben wir an dieser Stelle noch nicht einmal über die massiv und rasend schnell fortschreitende Channel- und Nutzungs-Fragmentierung gesprochen. Es bleibt abzuwarten, wie User:innen auf die zu erwartende Flut in Social reagieren (vermutlich: genervt) und welche Auswirkungen andererseits die Cookie-Einschränkungen haben werden. Genauso ist offen, ob nicht kreativ und strategisch wirklich gut gemachte Kampagnen (von denen es ja zweifelsohne auch noch viele gibt), es schaffen, Menschen für Werbung zu begeistern. Sicher scheint also nur eines: die Geister werden sich auch künftig an der Werbung scheiden.

 

Headerbild: Anthony Rosset/Unsplash

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